Chance für Züchter und Zuchtverbände in Deutschland
Rückblick und Hergang
Es war im Advent 2009, als mir Connemara-Züchterin in Bayern das erste Mal ein Connemara-Pony mit äußerlich erkennbarem HWSD (Hoof Wall Separation Disease; engl. für Hufwandablösungssyndrom) begegnete.
Damals war diese genetische Krankheit nicht bekannt. Die Gründung der CPRG (Connemara Pony Research Group), die sich mit diesem Thema befasste, erfolgte erst in 2010.
Mit dem heutigen Wissensstand würde man jene Stute als „doppelten Genträger mit Symptomen unterschiedlich deutlicher Ausprägung“ bezeichnen. Die Stute ist inzwischen als HWSD/HWSD-Träger bestätigt.
Auch die frischgebackene Connemarapony-Besitzerin, deren Stute ich damals in unserem Stall eine Pause auf dem langen Transportweg von Norddeutschland nach Österreich gewährte, wusste seinerzeit nichts von oder über HWSD. Das hochgradig klamm gehende Pony war als tragende Zuchtstute angepriesen worden. Eine klare Lahmheitsdiagnose gab es zum Zeitpunkt des Kaufs nicht.
Erst viel später, als HWSD zum Thema unter den Connemara-Züchtern geriet, kam mir diese Stute wieder in den Sinn. Ihr auf HWSD getesteter Nachkomme unterstreicht im Nachhinein als HWSD/N–Träger die tragische Diagnose.
Im Sommer 2014 wurde schließlich erstmalig und exklusiv in den USA ein HWSD-Gentest angeboten. Der Test kostete damals über 30 EUR, Versand der Blutproben etc. nicht mit eingerechnet. Später konnten auch Haarproben ohne überprüfbaren Herkunftsnachweis im Brief verschickt werden. Nüchtern betrachtet war damit Betrugsmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet.
In der deutschen „Connemara-Züchter-Szene“ wuchs das Thema HWSD zu einem richtigen Hype heran, auch die dt. Zeitschriften begeisterten sich für das Thema. Nicht einwandfrei nachprüfbare Listen im Web stellten sogar Deckhengste farblich nach Grad ihres HWSD-Status dar. Deutsche Connemara-Züchter warben – und werben zum Teil heute noch! – auf ihren eigenen Websites mit den Resultaten aus jenen amerikanischen Untersuchungen.
Im März 2015 war die Untersuchungsmöglichkeit unter anderem auch Thema der Rasseversammlung/Connemara in Bayern. Laut und deutlich habe ich damals vor der seriösen Verwertbarkeit solcher Untersuchungsergebnisse gewarnt. Vergebens.
Viele Hengsthalter hatten sich bereits aus Angst vor der Möglichkeit einer genetischen HWSD-Krankheit ihrer Connemara-Hengste zu einem derartigen Test überreden lassen. Auch etliche Stutenbesitzer wurden von dieser Form der Panikmache angesteckt. Immerhin eine Züchterkollegin von mir konnte ich von einer derartigen Betestung abhalten. Ihr entging jedoch somit eine Decktaxe – die Deckanfrage einer Stutenbesitzerin war nämlich an ein HWSD-Testergebnis ihres Elite-Hengstes geknüpft.
Aktueller Stand in Deutschland
Inzwischen sind wir in Deutschland endlich auf einem guten Weg:
Es werden Tests von mehreren Laboren angeboten. Angebot und Nachfrage regeln den Markt. Anerkannt – und damit auch von Zuchtverbänden in die Papiere eingetragen – werden die Resultate nur bei gleichzeitiger Abstammungsüberprüfung bzw. Identifizierung durch Zuchtverband bzw. Tierarzt.
Ab 2018 müssen alle Connemara-Fohlen in Deutschland auf HWSD getestet werden, sofern sie nicht von anerkannt N/N-getesteten Elterntieren stammen.
Langsam wandelt sich die über die Panikmache geschürte Angst vor HWSD in nüchterne Überlegung, wie mit der Situation verfahren werden soll. Wenn die Herausforderung „HWSD“ jetzt geschickt angegangen wird – von Züchtern sowie von den Zuchtverbänden in Deutschland – kann dadurch ein ausgesprochenes Qualitätsmerkmal für die deutschen Connemara-Ponys erwachsen. Aus Minus kann ein herrliches Plus werden!
Chancen für die Connemara-Züchter in Deutschland
Züchter in Deutschland sind im Marktvorteil. Sie können nämlich mit anerkannten N/N-Ergebnissen ihrer Ponys im Verkauf punkten. Die Masse an importierten – und meist ungetesteten – Ponys aus dem europäischen Ausland ist in den letzten Jahren riesig geworden. Ein anerkannter HWSD-Status kann ein klarer Vorteil am übervollen Freizeitpony-Markt sein. Oft genug wird dort mit den Begriffen „volle Papiere“ und „geeignet für die Zucht“ geworben. Anmerkung: Während ich diesen Artikel schreibe, stammen auf einer großen deutschen Pferdeverkaufs-Plattform im Web mit insgesamt etwa 15.000 Angeboten nur 10% der rund 100 verkäuflichen Connemara-Ponys aus wirklich deutschen Zuchten.
Ich habe prophylaktisch mein diesjähriges Connemara-Fohlen auf HWSD testen lassen. Das Qualitätsmerkmal „HWSD: N/N“ steht im Papier. Das Fohlen ist inzwischen nach Dänemark verkauft – extra für Zuchtambitionen.
Züchter in Deutschland können bares Geld sparen. Wenn Connemara-Züchter ihre Elterntiere, die sie wiederholt in der Zucht einsetzen, vorab anerkannt auf HWSD testen lassen und das Ergebnis jeweils N/N lautet, müssen ihre Fohlen ab 2018 nicht auf HWSD getestet werden. Auch abstammungsgeprüfte Vollgeschwister aus älteren N/N-Anpaarungen sind garantiert keine Genträger.
Anmerkung: Ich habe meine sämtlichen gechipten Zuchttiere anerkannt auf HWSD testen lassen. Die Ergebnisse wurden dem Zucht-verband zum Eintragen mitgeteilt.
Züchter in Deutschland sind mündig. Sie können Tests auch selbst in Auftrag geben, wenn ihnen ein Tierarzt die Abstammung (Ablesen des Mikrochips) beim Haare ziehen schriftlich bestätigt. Diese Testergebnisse der Labore können dann dementsprechend von den Zuchtverbänden in die Papiere der Ponys übernommen werden.
Anmerkung: Im Rahmen einer Routine-Impfung hat der Tierarzt, ausgerüstet mit einem Chip-Lesegerät, bei meinen Zuchttieren die Haarproben entnommen und die Gentest-Untersuchung in die Wege geleitet – kein großer Umstand also.
Handlungsmöglichkeiten für die Zuchtverbände in Deutschland
Zuchtverbände können mit Service und fachkompetenter Beratung punkten und können anerkannte HWSD-Tests von gekörten Connemara-Hengsten auf Wunsch der Hengsthalter in ihren Hengstverzeichnissen veröffentlichen.
Achtung: Hier darf nicht der Fehler einer Diskriminierung durch Zwang einer Veröffentlichung gemacht werden. Laut den Vorgaben aus Irland gilt nämlich für alle vor 2016 geborenen Connemaraponys – egal welchen HWSD-Status sie haben – Bestandsschutz. Sensibilität beim Umgang mit diesen Daten ist daher gefragt.
Gekörte Hengste müssen international ab Jahrgang 2016 bei der Eintragung ins Stutbuch ihr HWSD-Ergebnis im Equidenpass dokumentiert haben, der Status darf jedoch keinen Einfluss auf das Körurteil haben. Die Dokumentationspflicht im Equidenpass gilt auch für HB II-Hengste, die ohne Körvorstellung eingetragen werden.
Zuchtverbände können für ihre Mitglieder kostengünstige Angebote für den HWSD-Test aushandeln. Bei Untersuchungsaufträgen bekommen sie wesentlich günstigere Konditionen als eine einzeln handelnde Privatperson.
Die Zuchtverbände stehen dabei für ihre Mitglieder als Wettbewerb fähige Dienstleister in der Verantwortung. Sie werden von ihren Züchtern auch anhand der für den HWSD-Test entstehenden zusätzlichen Kosten gemessen. Der Service, bestehend aus Ausfüllen des Untersuchungsauftrags, zeitnaher und nachvollziehbarer Versand der Proben an das Labor sowie die abschließende Passerstellung ist für die Züchterschaft von entscheidender Bedeutung.
Vorstellbar ist, dass Zuchtverbände ihren Mitgliedern anbieten, Papiere von älteren Tieren aus beidseitigen N/N-Anpaarungen mit dem Zusatz „HWSD: N/N“ zu versehen, da bei einem rezessiven Erbgang kein anderes Ergebnis möglich ist. So ist es schon bei einem der dt. Zuchtverbände vorgenommen worden.
Zuchtverbände mit fachkompetenter Beratung werden Connemara züchtende Mitglieder auch zukünftig halten können. Eine Abwanderung zu kostengünstigeren Anbietern kann durch guten Service seitens der Verbände vermieden werden.
Service kann dabei auch eine aussagekräftige Website eines Zuchtverbandes sein. Der Surfer im Netz sucht hier nach geprüften verlässlichen Informationen zum Thema HWSD. Wird er nicht fündig, wird er zukünftig Websites ohne Informationen meiden. Die Zugriffe auf schlechte Websites werden weniger, damit auch die Werbung für Verband und Mitglieder im Netz. Ein ganzer Rattenschwanz von verpassten Chancen für einen positiven Öffentlichkeitsauftritt eines Zuchtverbands schließt sich an.
Als in Generationen denkende Connemara-Züchterin in Deutschland sehne ich mich nach einer seriösen Datenbank in diesem Land, die erschöpfend Auskunft zu Abstammungen gibt. Auch sollte diese zur Bewältigung der HWSD-Problematik dienen können. Die FN ist hier bereits auf einem guten Weg. Einem „gläsernen Stutbuch“ gehört die Zukunft – in anderen Ländern sind solche Websites schon längst Standard und Informationsquelle für die Züchter. Manche deutsche Zuchtverbände arbeiten ebenfalls zukunftsorientiert an diesen Herausforderungen. Eine Veröffentlichung der HWSD-Auswertung des Fohlenjahrgangs von 2018 mit Namen der Elterntiere kann hierzu eine echte Hilfe sein.
Appell an die Zukunft
Vorweihnachtszeit ist die Zeit zum Wünschen.
Bitte begreifen Sie – Connemara-Züchter und Zuchtverbände in Deutschland gleichermaßen – das Thema „HWSD“ als positive Chance und ergreifen Sie diese auch!
AVC
Courten Connemaras
Bruggerhof im Advent 2017